Die Sinnesintegration bildet die Voraussetzung für unsere Wahrnehmung!
Die Sinne (z.B. Hören, Sehen, Fühlen, Gleichgewicht) bilden den Grundstock für die Wahrnehmungsentwicklung. Jeder Sinn spielt eine entscheidende Rolle und nimmt Einfluss auf viele verschiedene Körperfunktionen, auf die Emotionen und auf die mentale Stärke, z.B. beeinflusst der Gleichgewichtssinn (vestibulär):
- Den Muskeltonus (Spannungsgrad der Muskeln): Dieser wirkt sich wiederum auf die Bewegung aus. Gleichgewichtsstimulationen (z.B. balancieren, schaukeln) tragen zu schneller und leichter ablaufenden, willkürlichen (bewussten) Bewegungen bei.
- Die visuelle Wahrnehmungsfähigkeit (Sehen): Durch die Verbindung der Augenmuskeln mit dem Gleichgewichtsorgan im Innenohr können sich bei Gleichgewichtsstörungen oder Schwindel auch Bewegungsstörungen der Augen zeigen.
- Das Körperbewusstsein: Das Körperbewusstsein entwickelt sich über Bewegungen und deren Interpretationen, was indirekt auch vom Gleichgewichtssinn beeinflusst wird
- Die Gefühle: Der Gleichgewichtssinn gibt ein primäres Sicherheitsgefühl. Durch ein stabiles Gleichgewicht gewinnen wir auch eine gewisse emotionale Sicherheit
- Das Lernen: Gleichgewichtssinn, Muskeltonus und visuelle Wahrnehmung wirken zusammen. Nur wenn der Gleichgewichtssinn richtig funktioniert, haben die Muskeln der Augen einen entsprechenden Muskeltonus, der es ermöglicht Objekte zu fixieren. Dies ist wiederum für das Lernen von Lesen und Schreiben von größter Bedeutung.
Mögliche Anzeichen bei Problemen mit dem Gleichgewichtssinn sind z.B.:
- Der Muskeltonus wechselt stark, z.B. am Tisch schlaff, in der Bewegung überspannt
- Die gezielten Bewegungen sind eher mühsam (Feinmotorik)
- Die bilaterale Koordination ist oft gestört (Überkreuzbewegung)
- Es fehlt die Schutzreaktion und es besteht wenig Gefahrenbewusstsein
- Die Stimmungen, Handlungen und Ideen wechseln schnell
- Das Gehirn verarbeitet zu wenig Bewegungsreize und gleicht dies durch viel Bewegung aus (,,Zappelphillip")
- Die betroffenen Menschen sind oft ängstlich und verunsichert
Wahrnehmungsprobleme sind mit unter immer ein Ausdruck eines mangelhaften Zusammenspiels der einzelnen Hirnbereiche und lässt auf mangelnde Gehirnintegration schließen. Sie prägen den Menschen dauerhaft und beeinflussen seine gesamte Entwicklung. Das zeigt sich z.B. durch:
- Auffälligkeiten im emotional-sozialen Verhalten
- Konzentrationsschwäche, schnelle Überforderung und Reizüberflutung
- Teilleistungs-, Entwicklungs- oder Lernprobleme
Weitere Beispiele der Sinnesintegration und ihrer Auswirkung auf die Wahrnehmung:
- dieTiefensensibilität (Propriozeption, Kinästhesie)
- dieHaut (taktiles System)
- derSehsinn (visuelles System)
- derGehörsinn (auditives System)
Die Tiefensensibilität ( Propriozeption, Kinästhesie)
Durch die Tiefensensibilität (Muskelspindelzellen, Golgi Sehnenapparat, Golgi Bandapparat) erhalten wir Kenntnis über die Stellung der Glieder zueinander. Sie gibt uns Rückmeldung über die Muskelkoordination, den Spannungsgrad der Muskeln (Muskeltonus) und jede Art von Bewegung. Die Tiefensensibilität bestimmt in erster Linie die Motorik, d.h. unwillkürliche (unbewusst, durch Reflexe bestimmte) und willkürliche (bewusst gesteuerte, wie gehen, springen) Bewegungen.
Die Tiefensensibilität hat Einfluss auf:
- Die Bewegung: Die Tiefensensibilität beeinflusst den Spannungszustand des Muskels (Muskeltonus), reguliert und koordiniert Bewegungen. Sie ist damit bestimmend für Körperkoordination und Kraftdosierung
- Das Körperschema: Das Körperschema baut sich über permanente Informationen der Tiefensensibilität an das Zentrales Nervensystem auf. Ein gut ausgebildetes Körperschema kann die Gleichgewichtserhaltung unbewusst regulieren
- Das visuelle System (Sehen): Die Tiefensensibilität liefert wichtige Impulse aus der Augenmuskulatur über die Form- und Raumwahrnehmung. Raumwahrnehmung ist die kinästhetische, akustische (hören) und visuelle (sehen) Erfahrung bzw. Konstruktion von Raum
- Die Gefühle: Impulse, die durch Muskelkontraktionen erzeugt werden, wirken auf den Hypothalamus, einem Teil des Gehirns, der für den Hormonhaushalt und die Steuerung des vegetativen Nervensystems verantwortlich ist. Vermehrte Rückmeldungen aus der Tiefensensibilität fördern einen positiven Gefühlszustand
Mögliche Anzeichen bei Problemen der Tiefensensibilität sind z.B.:
- Schwierigkeiten bei der Dosierung und Planung von Bewegungen
- gestörte Kraftdosierung
- Autoaggressionen
- Überempfindlichkeit auf Kritik und Anforderungen
Die Haut (Taktiles System)
Das taktile System verteilt sich über den ganzen Körper. Taktile Stimulationen (Hautreize) tragen entscheidend zur Entwicklung der Gehirnstruktur bei und damit zur Gehirnintegration. Taktile Informationen bilden die Basisinformationen für die Interpretation anderer Sinneseindrücke. Es reagiert auf Druck, Vibration, jegliche Berührung und Bewegung und signalisiert den Kontakt des Körpers mit Objekten.
Das Taktile System ermöglicht und hat Einfluss auf:
- Die Wahrnehmung und Interpretation von Berührungen: Die dem taktilen System übergeordneten Gehirnzentren ordnen Berührungen nach gefährlich oder ungefährlich ein und aktivieren bei Bedarf das Abwehrsystem. (Berührt man eine heiße Herdplatte, zieht man die Hand blitzschnell wieder weg.)
- Die Lokalisation von Berührungen: Die genaue Ortsbestimmung einer Berührung ist möglich, was z.B. zum Vermeiden von Schmerzen wichtig ist (berühre heiße Herdplatte mit rechter Hand - rechte Hand wegziehen)
- Das Erkennen von Oberflächenstrukturen: z.B. weich, glatt, spitz, stumpf etc
- Die Figur-Grund-Wahrnehmung: z.B. ich fühle einen Krümel auf der Tischplatte
- Die Motorik: der permanente Zufluss taktiler Stimuli hat einen entscheidenden Einfluss auf die motorische Integrationsleistung des Gehirns (z.B. Wo befinde ich mich im Raum - Lernerfahrung)
- Die Gefühle und die Intelligenz: Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Mangel an Hautreizen in den ersten Lebensmonaten zu Störungen der Gefühle, der Motorik und der Wahrnehmung führt. Dies ist erklärbar, da über die Haut vielfältige Prozesse ablaufen, die der Befriedigung der Grundbedürfnisse dienen, z.B. nach Wärme, Geborgenheit, Nahrung etc. Ebenso werden Gefühle und das Urvertrauen über taktile Stimulation entwickelt
- Das visuelle System (sehen) und das akustische System (hören): Informationen des taktilen Systems tragen zur Entschlüsselung visueller und akustischer Reize bei. Fehlen diese Grundinformationen kommt es zu visuellen oder akustischen Wahrnehmungsstörungen, was sich z.B. in einer jeweiligen Überbewertung äußern kann.
Mögliche Anzeichen bei Problemen des Taktilen (Haut) Systems sind z.B.:
- beeinträchtigte Aufmerksamkeit und Konzentration
- Kinder sind oft unruhig, gereizt, verwirrt, zerstreut, unbeherrscht, kratzen, beißen, sind übertrieben in ihren Reaktionen oder sind stumm, steif, ziehen sich zurück
- Auftreten von Unverträglichkeiten (Nahrung, Stoffen usw.)
Der Sehsinn (visuelles System)
Das visuelle System umfasst das Auge mit Netzhaut (Retina), den Sehnerv, einen Teil des Gehirn, u.a. Teile des Thalamus und des Hirnstamms sowie die Sehrinde.
Eine Aufgabe des visuellen Systems ist das Erkennen von Farben und Formen und die Unterscheidung von Mustern. Das Helligkeitssehen, Dunkeladaption (Umstellen des Auges von Hell auf Dunkel).
Die zweite Aufgabe des Sehens ist uns weniger bewusst. Sie betrifft die Vermittlung von Informationen über den Aufbau des Raumes um uns herum (seine Strukturierung, Untergrund, Wände, Hindernisse) und über bewegliche Objekte. Diese Informationen benötigen wir zur Orientierung im Raum, zur Kontrolle unserer Haltung sowie zur Steuerung unserer Fortbewegung und zur Lokalisation von Reizquellen.
Die visuelle Wahrnehmung umfasst die Fähigkeit, optische Reize aufzunehmen, zu unterscheiden, zu verarbeiten, einzuordnen und zu interpretieren und entsprechend darauf zu reagieren (z.B. einen Gegenstand zu sehen, ihn aus einer Fülle anderer Gegenstände heraus zu unterscheiden, nach ihm zu greifen).
Folgende Bereiche der visuellen Wahrnehmungen können unterschieden werden:
- In Zusammenarbeit mit dem Hautsinn (taktiles System) wird die Oberflächenbeschaffenheit von Objekten signalisiert
- Die räumliche Orientierung wird durch die Zusammenarbeit mit der Tiefensensibilität und dem Gleichgewichtssinn ermöglicht
Bei der visuellen Wahrnehmung wirken grundsätzlich die Tiefensensibilität, das taktile und das vestibuläre System zusammen und sind somit von einander abhängig.
Der Gehörsinn (akustisches System)
Der Gehörsinn liegt im Innenohr in enger Nachbarschaft mit den Gleichgewichtsorganen. Der Gehörsinn umfasst das Ohr, die Hörbahn, den Hörnerv und einen Teil des Gehirn, u.a. Teile des Thalamus und des Hirnstamms sowie die Hörinde.
Er reagiert auf Schalldruckwellen und übersetzt diese in Töne, Klänge und Geräusche. Der Gehörsinn bestimmt den Ort, die Richtung und die Bewegung der Schallquelle. Die akustischen Reize wirken stark auf die Formatio Retikularis und sorgen so für einen Wachheitszustand des Organismus und somit für die Konzentrationsfähigkeit.
Der Gehörsinn hat sich aus dem Gleichgewichtsorgan heraus entwickelt. Es besteht daher ein enger Zusammenhang zwischen vestibulärem (Gleichgewicht) und akustischen (Hören) System.